back 2 enlightenment

10. Alte Freunde

Wer sich in Indien hetzt, dem ist gründliches Misslingen wie einem HB-Männchen sicher. Nichts geht hier mit westlicher Hetze. Das verhindern die Inder ebenso wie die Umstände.

Da indisches, kurzes Leben weder für Himmel noch Hölle qualifiziert, nimmst Du Dir Zeit, die unzählige Wiedergeburten Dir schenkt.

Die Tage werden praller und praller. Ständig erhöht der Ashram Deinen Energie-Level. Du spürst es mit jeder Meditation jeden Moment, wie sich Deine Spannkraft steigert.

Manche fangen an, sich mit der überschüssigen Energie nach außen zu bewegen. So ist es im Westen üblich. So "kommst Du zu was".

Hier wäre ein anderer Weg besser: Verwende Deine Energie darauf, Dich zu erforschen. Sauge Dich voll mit der Morgen-Lecture, bereite Dich still auf Meditation oder Gruppe vor. Alles andere führt Dich fort von Dir. Auch Schreiben.

Klar, Du kannst mit der hohen Energie, mit den Wundern der fremden Eindrücke, mit der Stärkung aller köstlichen Speisen gleichsam große Sprünge machen.

Du kannst Deine Erkenntnisse aufschreiben. Du kannst dem Ashram-Schließfach Dein schweres Rupees-Bündel übergeben. Du kannst in Dein Appartment radeln. Du kannst duschen. Treppe fegen, zum Radverleiher rasen, Dein Rad aufpumpen und die klemmende Pedale reparieren lassen. Du kannst an der German Bakery noch schnell einen Masala Chai schlürfen, eine Karte schreiben, nur zu Deiner 11.00 Uhr Samadhi-Meditation kommst Du mit dieser inneren und äußeren Unruhe nicht.

Die Karte nimmt Dir die Ashram-Post am Sonntag nicht ab. Der aufgepumpte Reifen ist mittags wieder platt. Und ob der Postbeamte Deine Karte befördert oder die Marke klaut, bleibt fraglich.

 

Behindertendreirad des Kioskbesitzers

Mit Hetze geht nichts in Indien, im Ashram gar nichts. Die grauhaarige Griechin Mukscha bewacht die Samadhi-Tür und lacht mir schon froh entgegen: "Zu spät!"


Ich kann ein paar Dinge fragen, die ohnehin klar sind, ob sie die Ranch mit abgewickelt und Poona II mit aufgebaut hat. Sie hat."Sehr interessant die Lectures zur Zeit 'Last Testament'. Sehen wir die jetzt die ganze Zeit?"

"Ich habe keine Ahnung",
meint sie.
"Weißt Du, wer die Lectures auswählt?"
"Keine Ahnung. Freu Dich einfach dran, (enjoy!)"
winkt sie ab. Genug der Fragen. Der "Enjoy"-Befehl beendet alle Diskussionen. Die Hohe-Priesterschaft des spirituellen Bhagwan-Konzerns hat seine Winke verfeinert, schmollst Du mit ihr. Nach 16 Jahren Sannyas schnauzen sie Dich nicht mehr im Feldwebelton an. Ma Mukscha hat das nie getan.

Ma Mukscha hat mir auf der Ranch noch Gurdjeffs Bücher
"All und Alles, eine unparteiische Kritik des Lebens"
geschenkt. Als die richtig gläubigen Rajneeshes mich rausgeschmissen hatten, habe ich die Bücher Ma Amiyo verehren lassen. Ich hatte genug Gepäck für meine bald einjährige Odyssee durch die Staaten mit ständigen Bettelaufenthalten auf der Ranch:

"Can I get my Mala back?"

Die blonde, französische Tanzlehrerin ist gealtert. Ihr hartes Gesicht durchzieht tiefe Mundwinkelfalten. Fast unverändert hat sie ihren Körper straff, diszipliniert und trainiert erhalten. Vielleicht hat sie ja Gurdjeffs Werke erhalten. Jedenfalls lehrt sie Gurdjeffs heilige Tänze.

Gottheit auf dem Weg zum Ashram

Swami Amaresh, der Flötist, der ein eigenes digitales Studio in Mumbai unterhalten soll, hat die gleichen, tiefen Mundwinkelfalten. Erstaunt schaut er auf, wer wohl fröhlich flötend aus dem Ashram trällert.

Wir haben zusammen mal in der Musikgruppe 1983 in München versucht, Satsang-Musik zu machen. Er hielt uns alle für drittrangig. Selbst Swami Prakash, der damals die weitaus gefragtere Satsang-Musik mit Gitarre und Gesang leitete, war nichts für Amaresh.

Swami Prakash ließ uns alle mitspielen. Swami Prakash bezog auch Klein-Künstlen in die Musikgruppe ein, der ich mühsam mein Fender-Rhodes Piano von 35 Kilometer Entfernung aus dem Münchener Umland Fürstenfeldbruck ins Tao-Center, in die Klenzestraße schleppte.

Swami Amaresh gelang die Sannyas-Karriere mit gefragten CDs, gleichsam Priester-Musiker in Poona. Seine Flötentöne sind auch unangreifbar schön geworden.

Swami Prakash tauchte mal in der Münchener Far Out-Disco nach 10 Jahren wieder auf. Er macht professionelle Filmmusik für Grünwalder Filmstudios, für Heiden also gleichsam. Nicht mehr für "the choosen few", die Sannyasin, die Überlebenden in den kommenden, unausweichlichen Katastrophen.

Dann triffst Du einen anderen 'Heiden' von den 84er Ranch-Zeiten, mittlerweile Sannyasin in Teheran:

Swami Sharan aus Tehran, Iran. Sein Name Vedant Sharan heißt "absolut silence".

 

Ihr fallt Euch in die Arme. Dass die blonde Schwedin Mukta einen dicken Freund zum Mittag wählt, derweil Günther von Fortschritten seiner Liebes-Leiden erzählen will, ist fast vergessen. Günter lässt sich mit Spott trösten:

"Geh mal in einen indischen Liebesfilm. Da siehst Du wirklich, was echtes Leiden ist!"

Die Sheela-Gang hat auch Swami Sharan seine Mala abgenommen. Er bekam sie erst Ende '85 wieder, als die Sheela-Gang im Knast gelandet war.

Wir konnten damals in den Staaten keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Also baute der Anwalt Sharan und sein iranischer Arzt-Kollege, Dr. Nasim ein Geschäft auf: Bettelgelder für Äthiopien sammeln.

Zu dem Job brauchtest Du weder Green Card noch Arbeitserlaubnis. 10 Prozent behieltst Du Dir als Aufwandsentschädigung. 90 Prozent behielten die Iraner. Später stand in der Zeitung, dass kein Pfennig von der wochenlangen Sammlerei nach Äthiopien gegangen sei.

Jetzt erzählt Swami Sharan, sie hätten 1000 Dollar abgeben müssen, um die aufgebrachten Menschen zu beruhigen.

"Gesammelt haben wir 10.000 Dollar",
behauptest Du.
"Mehr",
erwidert Sharan.
Der ganze Film kann doch nicht wahr sein, so schlecht ist er. Also setzt Du Dich in den Ashram, versuchst zu meditieren. Bhagwans Gesicht scheint auf, wie er mir Sannyas gab. Es war der 2. 2. 1981 als ich endlich nach wochenlangem Warten vorgelassen wurde.

Heut hörst Du beim Essen von Wartezeiten von vier Jahren.
Ein bärenstarker, rotmähniger Typ nahm Dein kniendes Bündel Elend. Er rückte Dich passend vor seine Füße. Die Brille musstest Du ohnehin abgeben. So hocktest Du halbblind in Deinem zitternden Unglück, froh, soweit gekommen zu sein. Bhagwan  spielt auf Deiner Stirn eine Art Rubbel-Los und sprach zu mir:
"Du tanzt gar nicht, Du gibst nur vor zu tanzen. Du kannst gar nicht meditieren. Du gibst das nur vor."

Ich dachte, dass er gut reden habe. Diese Gedanken mögen ihn zu Höchstform auflaufen lassen: "Du denkst dauernd an Selbstmord."
Das gibt mir denn doch zu denken.
"Aber selbst zum Selbstmord bist Du zu feige, obwohl Du Dich viel lieber umbringen würdest."

Na, denke ich, wenn der Alte jetzt mal nicht frech wird. Also blinzele ich ihn zwischen meinen Tränen an, was ihm gefallen haben könnte. Jedenfalls fährt er sichtlich milder fort:

"Dabei bist Du wirklich ein edler Mensch. Du kümmerst Dich nicht nur um Dich. Du behältst alles im Auge und versuchst, Dich um das Ganze zu bemühen."

Damit hängt er mir meine Mala um den Hals. Das Blitzlicht des Fotografen zuckt für Dein bestelltes Foto auf. Manche dieser Einweihungen sind in den Darshan-Tagebücher nachzulesen.

Mit den kommenden Tausenden Tränen und weiteren schweren Krankheiten lernst Du Dich und ihn besser verstehen. Deinen Meister hörst Du dazu sagen, dass der Ashram den alten Menschen demontiert, um so den Neuen zu formen.

Bhagwans Arbeit trägt Früchte: Schon wieder gibt einer das Gefühl, angekommen zu sein: Swami Tyohar hält Dienstag, Mittwoch, Freitung und Sonntag Satsang auf einem Hausdach bei der ABC-Farm. Zwischen 19.00 und 20.00 Uhr strömen die Menschen zu ihm. Das Dach füllt sich mit etwa 200 Menschen. Meine Frage zum Ashram folgt vielleicht noch:

"Wie kann ich den Ashramiten diesmal besser helfen, dass das Experiment nicht so faschistisch und kriminell endet wie in Rashneespuram?"

Tyohar ist 28 Jahre alt.

Swami Mikel Anamo aus Neuseeland ist 37 Jahre alt. Dazu tingeln durch die Welt: Isaac, Papajis Schüler, Shanti Mei und Swami Samparna. Alle drei treten auch in München auf. Alle leben wie Buddha von Spenden, schlicht: sie betteln.

Viele gibt es noch, viele werden folgen. Es geht voran! Bhagwans Methoden können funktionieren, müssen aber nicht. Ob die Poona-Ashramiten Sannyasins als Erleuchtete anerkennen, bleibt fraglich. Dazu müssten Ashramiten selbst erleuchtet sein. Ob sie dann im Ashram blieben, wäre die nächste Frage.

11. Schutzengel