<-Satsang - oder: Die Sucht nach spirituellem Segen

Chopping wood - carrying water...ja, wann denn? Nach der Erleuchtung, dem awakening to the True Self oder wie auch immer blumig man diesen heiß ersehnten Zustand der Zustände beschreiben mag?

Es ist tatsächlich brenzlig auf Mutter Erde. Die Jahrtausendwende schreit nach dem Quantensprung in ein neues Bewusstsein. Die Satsangs der ‘neuen’ Meister, Gurus, Realizer und zornigen jungen Männer brauchen sich um Zulauf nicht zu sorgen, denn nach langen Jahren des Meditierens, Therapierens und ‘Doch-Nicht-Kapierens’ sitzen wir immer noch da und haben das ungute Gefühl, weder uns selbst noch die Welt in einem Zustand vorzufinden, der es uns möglich machte, beruhigt unsere Pantoffel anzuziehen und uns geruhsam und zufrieden auf die Couch des simplen Genusses zu fläzen. Ist die Arbeit nicht vollbracht? Laufen wir noch immer mit Schuldgefühlen herum, nicht alles, nicht genug getan zu haben? In Bewegung bleiben, suchen - suchen - suchen! Finden? Finden? Finden?

Wie findet man denn? Hast Du einmal ein kleines Kind gesehen, das etwas sucht? Nein. Es sucht nämlich nichts. Es findet dafür umso mehr. Ständig und unentwegt ist es völlig entzückt über neue Dinge, interessante kleine Welten, Mysterien und Wunder. Das zum Thema ‘Suchen’...

Wenn es ein Problem gibt, das wir in unserem Streben nach Erkenntnis noch nicht gelöst haben, dann ist es dies: Nicht sehen können, was vor unserer Nase ist. Es ist zu nah!

Copping wood - carrying water - now! Wann denn sonst? Hat unser Meister nicht oft - oft - oft genug davon gesprochen? Das Leben ist da. um gelebt zu werden, die Liebe, um geliebt zu werden, die Dinge, um gesehen zu werden, die Freude, um gefeiert zu werden.

Ute, Jugendbild aus ihrer Heimat Friesland

Brauchen wir immer noch Satsangs? Endlose Sermons über das Erwachen? Brauchen wir immer noch den Lebensberechtigungsschein? Den Genussberechtigungsschein? Den Du-Bist-Da-Um-Zu-Leben-Schein? Müssen wir immer noch nach vorne schauen? Zu IHM? Zu IHR? Weil ‘sie hat es’ oder ‘er hat es’ Gedanken, Projektionen uns helfen, es selber zu haben? Hat der Blick nach außen, nach vorne uns jemals geholfen? (...außer vielleicht als Idee: von Entwicklung, von Verstehen, von ‘Da-Bin-Ich-Auf-Meinem-Weg-Aber-Wieder-Ein-Gutes-Stück-Vorangekommen’-Gefühl). Und - after all - alle sind weitergekommen, haben sich entwickelt, sind in der spirituellen Hierarchie mitunter soweit vorgedrungen, dass diese Position vor sich und anderen aufzugeben wohl schmerzlich, ach allzu schmerzlich wäre...

Was unterscheidet uns eigentlich noch von den braven Kirchgängern, die in Erwartung eines Himmelreiches - das wir ja so verhöhnen und verpönen - ihrem Priester immer und immer wieder ehrfürchtige Audienz erweisen? Was ist der Unterschied zum Satsang unserer Szene? Dass wir uns outen können? Dass wir noch mehr und intensiver projizieren? Dass wir uns sogar Bildchen unserer Preisetr auf’s Nachtkästchen stellen? Daß wir Lachen, Schreien, Weinen und mäßig katharten dürfen (...aber gemach bitte!) sprich: dass wir fühlen dürfen? Na fein. Dass die Show so ‘intense’ ist, dass uns die exstatischen Nachwehen noch Tage später in Verzückung versetzen und unser Day-To-Day-Living erträglicher machen?

Ute und n0by feiern Geburtstag (1989)

Neues Vaterunser:

Geliebter Schöpfer, ich weiß nicht, wie Du heißt - egal, denn ich bin HIER und ich bin JETZT. Und das ist der Himmel hier auf Erden und braucht keinen Namen. Deshalb schütze mich vor spirituellen Gefühlen und erhabenen Gedanken, denn Dein Ur-Brei ist eh schon immer da gewesen und er ist immer noch der einzige Geschmack dieser Welt, die meine Welt ist und des Lebens, das mein Leben ist. Und jeder Furz sei mir mein tägliches Gebet, jede Küchenschabe ein Geschöpf Deiner unendlichen Vielfalt und jeder Verlust, der ja keiner ist, sei mein Meister und jeder Augenblick, der ja immer und ewig ist, mein Paradies. - Amen.

Nur eines hindert uns, alles zu bekommen, was uns reich, glücklich, exstatisch macht, nämlich der Wille, es zu bekommen. Die Sucht nach Bliss. Keine Gier in der Welt ist so bitter wie die spirituelle Gier und keine Macht der Welt bringt uns so unverzüglich in die Hölle.

Gott - Gott - lieber Gott! Bitte gib mir, dass ich diese Satsangs und anderen spirituellen Sonderveranstaltungen nicht mehr aufsuchen muss. Denn ich bin immer umgeben von so vielen Menschen, ich brauche sie ja nicht zu suchen, nicht bestimmte, ausgesuchte, erleuchtete. Sie sind ja alle da. Und alle sind da, wo ich auch bin. Immer. Und daß ich unterscheide, unterteile und bewerte in ‘erleuchtet’, nicht erleuchtet’, ‘awakened’, ‘not yet awakened’, ‘maybe nearly awakened’, ‘totally on the edge to awakening’, ‘not an inch on the path’, ‘unconscious as a stone’ usw. usw. - lieber Gott - dem hilf mir ab. Und zwar bald, wenn es geht, denn ich mag nicht mehr zu Satsangs gehen. Ich mag mich nicht mehr Vollreden lassen. Ich mag mir nicht mehr erzählen lassen, wer oder was ich bin. Denn ich bin. Ich - ich - ich --- bin - bin - bin. Punkt und Schluss. 

(Text: Ute veröffentlich in der Connection, Juli/August 1998, Seite 16)

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