back 2 "enlightenment" (IV)

35. Dorothea

Sie ist Sternzeichen Zwilling, womit Wassermänner meist mehr Freude haben. Der Name bedeutet "Geschenk Gottes", sagt sie. Die blonde Schönheit mit grellrot geschminkten Lippen treffe ich bei der Zimmervermittlung.

"Ich hätte etwas, was Deinem Stil entspricht."

"Woher weißt Du, was mein Stil ist?"

"Ich sehe Dich doch."

Ich erzähle ihr vom Zimmer. Eine großartige, gebildete, schöne Frau: Kommunikationswissenschaftlerin im Internet, meiner Branche - mit in München abgebrochenen Zelten.

"Du kannst gleich heut abend kommen."

"Ja, aber Du musst wissen, dass ich bis 1.00 Uhr nachts meditierte und um 6.00 Uhr zur
 Dynamischen gehe - und sonst: will ich meine Ruhe haben."

"Prima",

freue ich mich,

"Ich liebe fromme Sucher."

"Prima, ich liebe fromme Sucher!"

Dergleichen lustvolle Gespräche könnte ich Seitenweise sammeln, wobei mich ihre erwachsene Kraft freut.

"Es macht mich ganz unsicher, wenn Du mich so ansiehst",
verunsichert sie mich, dass ich schnell meine wahrheits- und lustsuchenden Blicke unter mich schläge.

"Nein, nein, das heißt nicht, dass Du mich nicht ansehen sollst, das hat ja nur etwas mit mir zu tun."

Also bestaune ich sie wieder weiter.

Sie sieht den Raum. Ihre Entscheidung bekomme ich um 16.30 Uhr. Selbst bei einer Absage bleibt sie ein Erlebnis.
Wie ich langsam zutraulicher werde zu den wunderbaren Plätzen, freut mich am meisten. Nach dem Schlüssel im Bad tauche ich nun schon den zweiten Tag. Der "Bademeister", ein Swami aus Rimini, hat mir sogar eine Taucherbrille besorgt. Ich gehe solange auf Suchjagd, wie ich die Wasserkälte ertrage. Meine Tasche mit Buch und Papieren lasse ich einfach am Rand liegen. 

Ma Anand Devi, Fotografin des Walross-Bild

Ma Anand Devi liegt bei mir in der Sonne: Eine solide bayrische Bauerntochter mit eigener Alm wäre eine reizende Aussicht für eine sorgenfreie Zukunft ohne Versorgungsprobleme.
Nur gehen die Dinge so eben nicht, und im Buddha-Feld schon mal gar nicht.
Post für die kalte Heimat nehme ich mit von ihr, leihe Ma Rajita noch 100 Mark und gehe dann mit Dorothea zu meinen Vermietern am Koregan Park, der beiden fetten Frauen, den Sharmas.
Wir versinken in den Sesseln, der Diener schenkt Masala-Chai ein. Ich stelle Dorothea als meine Freundin vor, die aus München gekommen ist. Ich werde länger bleiben wegen ihr, also kommt sie mit zu mir ins Zimmer.

"Das haben wir noch nie so gemacht, dass zwei auf einem Zimmer wohnen. Das kostet dann 4000 Rupees mehr!"

"2000",

"3000!"

Und dabei bleibt es. Dorothea zahlt aus ihrer Kängurutasche, gibt gegen Quittung 2000 an mich weiter - und das Raumproblem hat sich gelöst.Auch das Schlüssel-Problem in Bashos Pond. Er war längst abgegeben, derweil Du noch im Kalten tauchtest.

 
Ma Rajita aus Hawai fragt nach meiner lieben, langjährigen, vorigen und jetzigen Freundin - hoffe ich - nach Ma Deva Madira (Göttlicher Wein):

"Ja, hat sie endlich Sannyas genommen? Aha, dann hat sie sich endlich von Papa losgemacht?"


Papa meint mich wahrscheinlich.

"Dieses Buch gefällt mir garnicht, deshalb will ich da nicht mit Foto rein."

Ma Deva Madira

Die Dachsitzung bei Tyohar, zu der ich es nicht schaffte, Dorothea mitzunehmen, leitet meine Frage ein:
"Seit 15 Sitzungen bin ich hier. Ich habe Dir soviel zu verdanken. Ich bin so froh, dass ich wechseln konnte zwischen Dir und einem Stuhl, in dem niemand sitzt.
Ich stehe hier etwa auf dem Platz, von dem Swami Bodhi seine Frage stellte. Ich hatte soviel Mitgefühl für den Swami und war unendlich traurig, dass Du ihn angebrüllt hast:
'You are not enlightened!'
Ich habe ihm berichtet, wie Du im kleinen Satsang ihm das Wiederkommen verboten hast. Ich verstehe nicht, warum Du emotional so angespannt warst. Kannst Du es mir jetzt erklären?"
"Fehler passieren. Angebrüllt habe ich ihn nicht. Ich sehe mir die Satsang-Videos sonst nicht an. Dies jedoch schon, weil etwas unvollständig geblieben ist.
Doch ich habe eine Verantwortung für die Leute hier. Die muss ich wahrnehmen.
Ich will, dass Oshos Energie lebendig bleibt. Ich würde auch im Ashram mit arbeiten, aber der muss fragen.
Es ist gut, dass Du das gefragt hast."
Alle sind wieder zufrieden. Seine Entschuldigung begeistert auch mich. Namaste, Mini-Meister!
Zum kleinen Satsang komme ich nicht mehr, obwohl ich mich angemeldet habe. Usha stellt ihre widrige Alternative:
"Entweder jetzt zu Dir oder ich fahr' nach Haus."
Einen sehnsüchtigen Blick darf ich noch in den kleinen Satsang werfen. Der Raum ist voll von Leuten. Dann setzt sich Usha auf den Gepäckträger, dass ich meine süße Last zu Bett bringen kann.
Später muss ich die verbogenen Stangen des Trägers gerade biegen.
Nach unserer erfrischenden, fröhlichen Zauserei ist sie wieder auf dem Absprung, ihrem Fluchtweg. Irgendwie schaffe ich sie noch mit zu Prems zu nehmen, meinem Stammlokal. Es ist zwar keine ruhige Mahlzeit, wie ich sie dort gewohnt und genossen habe. Denn kaum hat sie ihre Auberginen halb gegessen abräumen lassen
"war mir zu gewürzt",
wird sie unruhig.
"Kann ich mir schon mal die Rechnung bringen lassen?"
"Du brauchst Dich um nichts mehr kümmern, Du bist entlassen, wenn Du nicht bleiben magst."
"Das will ich ja jetzt auch nicht so machen, rausgehen, Dich alleine lassen. Ich setzte mich 10 Minuten hin und transformiere Dich jetzt."
"Mich?",
bin ich denn doch arg erstaunt. Aber was verstehe ich als simpler Computerexperte schon von Licht- und Bewußtseinsarbeit? Nichts eben. Sie ist seit vier Jahren im New-Age Buisiness selbstständig, hat aber mit der Vokabel nichts im Sinn.
Du hast es schon bei Ma Rajita gemerkt, dass ich mit jedem Mal, wenn ich mein Lästermaul aufreiße, ich schon ins religiöse Fettnäpfchen trampele. Sie ist in Hawai auch in der Branche. Die Antwort zu Ihrer Frage
"Ist das eine Branche?"
überlasse ich ihrer Intelligenz.
Zurück zu Usha ins Prems: Ich darf mit ihr halbwegs in Frieden zu Ende speisen. Darf sie danach noch in ihrem Zimmer in Popular Heights unter ihrem Moskito-Netz genießen.
Ihre Indien-Einkäufe stapeln sich, dass sie gern etwas mir mitgäbe. Doch ich kann mich selbst kaum schleppen.
Ich muß schon im Prems versprechen, mich auf Kommando danach zu schleichen. In Frieden zusammen einzuschlafen, wäre mir lieber in dem Moment. Später soll ich bemerken, dass der Frieden der Nacht allein tiefer ist.
Dorothea will mich morgen vor der WRB treffen. Doch aus Revier-Kämpfen um Schönheiten wie die ihre ziehe ich mich - gewohnheitsgemäß - zurück.
Swami Tyohar sprach auch über die Würde, für sich vollständig einzustehen, wenn Du eine Verabredung treffen willst. Ja, wer das kann, muss nicht mehr auf dem Dach sitzen.
Allerdings gestehe ich Usha, dass ich Schwierigkeiten habe, meine Tiernatur offen zu zeigen. Es hemmt mich hier auch das Gefühl, dass die Damen alles untereinander rum traschen.
"Daher danke ich Dir für die Stunden zusammen. Sie haben mir das Gefühl gegeben, in guten Händen zu sein."
Und dass ich eine sprituell anpruchsvolle, tantrische Unterhaltung anzubieten hättest, würde ich mir im Traum nicht einbilden.
Ich vergnüge mich seit mehr als 20 Jahren mit schwitzenden Ringkämpfen, aus denen ich noch nie als Sieger ging. Stets unterliegst Du einer strahlenden Göttin mit seligem Lächeln. Und Du hast Dich bisher immer gewundert, dass sie ein zweites, drittes Mal kamen - oder gar Jahre bei Dir blieben.
Du jedenfalls würdest Dir die Behandlung überhaupt nicht erst gefallen lassen! Aber sie empfinden vielleicht anders als Du selbst, sprichst Du Dir weiter Mut und Trost zu.
Ich erinnerst mich an den peinlichen Fragebogen von der Ranch. "Surrenderd" wie Sannyasins waren, trugst Du dort wahrheitsgemäß die Arten Deines Verkehrs ein - und fühltest Dich schuldig.
Morgens sehe ich auf dem Dach gleich nach dem schwarzen Trennungsflug einer Krähe Ushas Blondlocken. Sie lächelt. Das erste Mal nach unserer Nacht, dass ich in Poona bis nach 8.00 Uhr geschlafen habe, lautet ihr erster Satz:
"Na bist Du jetzt auch so ein Frühaufsteher? Hast meine Energie wohl übernommen?"
Ich nicke glücklich.
Nach dem Silent Satsang treffen wir uns zum Frühstück bei Prems, hören vom alten Walkman gemeinsam, der noch zwei Kopfhörer versorgt, und sie liest sich durch ihre letzten beiden Kapitel.
Natürlich war alles ganz anders, aber meine Sicht macht ihr auch Spaß. Wir bleiben solange, dass sie später in ihr Fitness-Center kommt. Die Trimm-Dich Maschine, die Sauna im Ashram lehnt sie ab, veraltete Technik. Und überhaupt steht Ashram heut nicht auf ihrem Programm.
Wegen ihrer verlängerten Frühstückspause bei Prems mit mir, verschiebt sie unser Treffen auf 14.30 Uhr.
"Aber um 17.00 will ich in der Stadt sein. Dann haben wir zwei Stunden, das reicht für Dich."
Wie recht sie hat.
"Und heut ist sowieso Deine letzte Chance, weil ich für morgen schon einen anderen Liebhaber-Termin vor längerer Zeit ausgemacht habe."
Dafür dankst Du der gnädig sorgenden Existens schon heute.

"Aber überhaut, jetzt sage ich garnichts mehr, weil Du alles aufschreibst und ganz falsch."
Ihre Wörter danach würden noch etwa 20 Seiten füllen. Aber immerhin lernst Du von ihr. Endlich weißt Du, was eine Rollbürste ist!

36. Triebe und Liebe