back 2 "enlightenment" (III)

32. Poona-Guide to enlightenment or to malaria

Meine unglaubliche Empfindlichkeit hat mich also zu einem Doktor getrieben, wohin mich sonst kaum vier Pferde bringen.

Denn wie ich mit meinem Körper verbunden bin, kenne ich höchstens einmal von fiebernden Krankheit her. Dann habe ich gelitten, gelegen. Oder ich kenne es vielleicht noch von Trips her, aber die sind doch schon bald 20 Jahre vorüber.

Jetzt fliege ich vor Glück, bebe und zappele vor Wonne. Zur Dynamischen bin ich zu faul. Ich komme heim ins Apartment, als Ma Fulwarei zitternd und schnupfend geht.
"I need a hot shower",
"Hier, mein Schlüssel, nimm, geh duschen!"
"Danke, meine Dusche ist wieder repariert."

Also gehe ich mit meiner morgendlicher Beute aus der Mariam Ashram-Kantine Richtung Buddha-Halle. Die Dame von der Ranch, die mir dort stets wie ein Schatten in ihrem Polizeiwagen gefolgt ist, begrüße ich frech, froh, dreist und grinsend:
"Guten Morgen!"
Sie ist auch Deutsche. Doch meine Ansprache klappt förmlich ihren Unterkiefer herunter. Ihre forschenden Augen überblicken den Inhalt auf meinem Tablett. Eine Begegnung mit Außerirdischen könnte fremder nicht kommen. Dabei sind wir uns täglich fünf, eher zehn oder 20mal "zufällig" über den Weg gelaufen. Sie war es auch, die mich mit meiner Windjacke vor dem Samadhi zurück scheuchte.
Ich setze meinen Körper mit verschränkten Beinen auf das Bänkchen, schlürfe meine beiden heißen Kaffee, genieße das warme Ei, Brot mit Orangenmarmelade und Erdnußbutter.
Bhagwan erzählt Zen-Geschichten. Ich lache mich schlapp:
"Priester sind die raffiniertesten Geldeinnehmer. Sie verkaufen Dir das Nichts. Tempel und Priester kann es nur solange geben, solange es Narren gibt, die zu ihnen laufen."
Da sitze ich also mit andern Narren im Ashram-Tempel und genieße für mein Geld wahre Worte, beste medizinische und körperliche Versorgung, beste sanitäre Anlagen, beste Mitmenschen vom Planeten derzeit, beste Geschichten, beste Verbindungen zum zwei Kilometer entfernten Enlightment-Yuppie.



Bhagwan points with sensitivy to the moon.

Ich kann meinen Körper da hinsetzen. Er beschwert sich nicht über die Sitzposition. Ich könnte ihn dort für anderthalb Lecture-Stunden so lassen. Das hat er sich mit der Zeit hier eingeübt. Doch ich will einfach wissen, wie Zappeln ist. Also lege ich die Füße hoch an die beiden dünnen Baumstämme vor mir, höre Bhagwans Worte, siehe vor mir den überdachten Weg am Buchladen. Eine morgendliche Parade von schönen Menschen aus allen Ländern erfreut mich ebenso wie kleine Vögel, die Frühstück mit mir teilen.
Irgendwann tippelt auch Ma Fulwarei dort vorüber. Wie bei mir so üblich mit meiner beschränkten Wahrnehmung habe ich erst vollständige Gewissheit, als ich ihren blauen Rucksack sehe. Ihr sonstiges Erkennungszeichen, die weißen Turnschuhe, sehe ich nicht von der Bank aus.
Ich stehe auf von der Lecture und setze den hart gefrorenen Körper-Apparat behutsam in Bewegung. Die Muskeln melden Kälte bis auf die Knochen. Es erstaunt mich, dass sie sich jetzt erst melden. Als ich gesessen hast, hatten sie keine Beschwerden.
Ma Bali schlufft mit Chai aus Bodhidarmas Tee-Tempel. Sie ist schlecht drauf, sage ich ihr auf den Kopf zu.
"Kennst Du Mahapavishalam?,"
will sie wissen.
"Nö, ich weiß nur, dass da Tyohar jetzt mit 50 Leuten zum Retreat geht."
"Ach, furchtbar, dann sind da ja wieder soviel Sannyasin",
"Viel? Hier sind 5000."
"Ja, aber da ist viel kleiner. Ach, ich bin einfach nur müde. Vielleicht muss ich mal mehr schlafen nachts."
lächelt sie wieder verschmitzt.
"Warum setzt Du Dich nicht in die Sonne und schläfst einfach?"
Das leuchtet ihr ein. Ich gehe an meinen Schrank und hüpfe, um mich zu wärmen und umzuziehen. Mein Nusshändler verkauft mir die dickste Frucht aus seinem Sortiment, bilde ich mir ein. Letztmals habe ich mir beim Ausschaben eine kleine blutige Schramme an der harten Schale geholt. Diesmal schabt der Händler mir das Nussfleisch zusammen. Es ist der beste Schlabber, den Du schmatzen kannst.
Der Geldwechsler in Surya Hotel hat sich auf Zimmer 203 verkrochen. Für 200 Mark schlachtet er ein 5000 Rupees Bündel 50iger, nimmt sechs raus und schiebt mir 88 schmutzige Scheine hin. Sie sind dicker als der PSION-Computer.
"Nä",
bemängele ich die Ware,
"das ist mir zu viel. Hast Du keine Hunderter?"
"Die sind alle,"
will er mich trösten,
"wärst Du gestern gekommen, hättest Du 500erter Scheine ohne Aufpreis bekommen."
Ich bedenke den Trost und befinde ihn für wenig hilfreich. Also schiebe ich das Bündel ihm zurück:
"Ach, gib mir nur für 100 Mark."
"Warte",
ärgert er sich:
"Wegen Dir muss ich alle Bündel aufreißen."
Er holt einen Halbmeter Stapel verschnürter 100erter aus seinem Blechschrank. Und so bekomme ich doch 44 Hunderter für meine 200 Mark.



Western Enlightenment Tourist with Indian Friend (Lucknow '93)

Göttliches Indien. Ich  putze mein Appartment, was schon mehrere besichtigt und keiner genommen hat. Der Holländer Swami Baul heilt mit tibetanischen Klangschalen. Gestern war eine Lecture zu seinem Namen, den ihm Bhagwan vor 20 Jahren gab.
"Das ist ja beinah ein so gutes Geschäft wie das mit der Erleuchtung. Der einzige Unterschied ist, dass Du noch ein paar Schalen brauchst."
Er findet das auch. Doch meine geputzte Bleibe will er nicht. Mir ist das mittlerweile alles nur noch ein riesiger Spaß, ein kosmischer Zeitvertreib. Ich habe noch mehr als 2500 Mark, aber was willst Du heim schleppen, wenn Du weder Erleuchtung noch Gesundheit kaufen kannst? Geschenke, klar.
Ein Swami mit einer Ma im Arm spricht mich an:
"Ja, kennst Du mich nicht mehr?"
"Doch, doch, ich habe gute Erinnerungen an Dich, nun hilf doch gerad mal!"
"Krishnapad, Madira",
fallen die Schlüsselworte. Dankbar umarme ich ihn:
"Stimmt, Du warst der Swami, der mir zu Urlaub und mehr Freiheit von meiner Freundin geholfen hat."

Also setze ich mich ins sonnige Zorba-Restaurant, wo ich selbst in Indien Salat essen magst. Den Swami am Tisch frage ich, ob er plaudern will. Er will.
"Du kommst mir bekannt vor, entweder vom Center oder von der Kanzel."
"Ok, ich nehm das, weil ich im Ordensinternat aufgewachsen bin",
was ich hätte beschwören können.
"Was machst Du?"
"Ich schreib' ein Buch."
"Mit welchem Titel?"
"Poona-Guide to enlightenment or to malaria"

Er war Doktor in der Mai-Straße. Ma Samparna, die mich mit meinem Lungenriß April '83 im Krankenhaus besucht hat, ist vor zwei Jahren an Brustkrebs gestorben. Er hat die Maistraßen-Praxis verkauft und macht jetzt Therapeut in Schwabing. Ich trinke Tee und schwitzte. Wieso eigentlich, was strengt mich an, wundere ich mich.
Also langweile ich ihn auch noch mit meinen Mückenstichen und meinen seltsamen Körperempfindungen.

"Malaria ist ganz selten in Poona. Ich habe hier auch mal Arzt gemacht. Das kam so gut wie nie vor. Für die Reise hierher empfehle ich deshalb nicht einmal eine Malaria-Vorbeugung."

Natürlich sagt er "Prohylaxe". Aber ich kann diese Sprache schlecht vertragen. Dafür erfreut mich seine Rede.



et mit Lungenriß April 83

Es ist gerad 15.00 Uhr, als ich diese Mittagssitzung beende. All diesen Wundern will ich morgen beim Vollmond-ZaZen in Bhagwans Garten danken. Ich gehe dort in aller Ruhe herum und sehe die Welt und mich an bis Mitternacht.
"Schon zu,"
sagt sie, als ich zur Plaza komme, um zu buchen.
"Äh, nur eine Frage",
stammele ich demütig flehend,
"Wenn's ohne Computer geht, o.k.",
erbarmt sie sich.
"Was kost' - äh - das ZaZen da morgen in Oshos Garten?"
"500 Rupees",
zischst sie mit verächtlichem Mundwinkelzucken ob der ungehörigen Frage. Ich gieße mit meinem Trost doch nur Öl ins Feuer:
"500 Rupees,   o n l y  ?"
Aber was soll ich machen? Auf jeden Fall spaziere ich für 500 Rupees zum Beispiel lieber mit Ma Fulwarei ins Blue Diamond zum Abendessen.
Heut abend hatte sie wieder was anderes vor, ich habe sie einladen wollen.
"Will Dein Freund vielleicht meinen Raum, dann hast Du ihn näher bei Dir?"
"Mein Freund? Ich hab' noch keinen, ich suche noch einen."
Die Worte und ihr Blick gestern beim Frühstück klingen wieder nach in mir:
"Ist das toll, so einen starken Körper zu haben."
"Das ist nur an der Oberfläche so. Im Innern zittert er."
Sie schaut zweifelnd, dass ich es anders sage:
"Doch wirklich, im Innern bist Du viel stärker."
"Nicht immer",
lächelt sie.

33
. Der entzauberte Yuppie