back 2 "enlightenment" (II)

22. Alptraum Poona

 

Tyohar dreht auf. Vier Münchener Sannyasin sind eingestiegen, ein alter Osho-Ranch Kollege bucht Retreat ebenso wie die Prana-Heilerin aus München heut abend. Es mußte ja so kommen:
"Ich bin Osho, Jesus, Mohammed! Enough for today",
und weg war er. Ich lache mir ins Fäustchen und denke:
"Das mußte ja so kommen."
Doch laut sage ich das nicht zum Münchener Rotfuchs, der Schönen mit der wolligen, roten Mähne. Ihr Gesicht drückt ohnehin schon lebendiges Missverständnis aus. Dass ich sie dort schon zum zweiten oder dritten Mal sehe, grenzt an ein Wunder. Ist ihr ohne den Ego-Aufheller "schwarze Robe", die kürzlich noch ihre Haltung straffte, im Ashram doch wieder eng geworden?
Wir sammeln un zum kleinen Satsang in Tyohar's Wohnzimmer. Es sprudelt nur so heraus aus mir:

"Das ist doch Copyright-Verletzung. Osho hat niemals einen Erleuchteten neben sich geduldet. Er hat gesagt, dass viele in den Markt drängen würden, den er vorbereitet hat. Du schaffst Probleme mit dem Ashram!"

Satsang Frage auf Tyohar's Dach

Das Publikum murrt ob meiner verzagten Einwände, was Tyohar zu weiteren Lästerungen an Bhagwan antreiben mag. Er sei der Einzige, der da jetzt sagen kann, wie es weiter gehen soll, meint er. Niemand von denen, die da jetzt rumliefen, könne noch Leitung geben.
Weswegen gehst Du eigentlich zu Tyohar, wenn Du nicht gerade das hören wolltest? Nur: wie hat Bhagwan eigentlich seinen multimillionen Dollar-Laden geleitet?
Ich bin entsetzt. Mein geliebtes schattiges Plätzchen am Pool, die vielen Sprachen, zwei Taiwanesinnen beim Abendessen, Russinnen im Buchladen, die Japanerin Ma Divyiam Bali auf dem Weg zur WRB, mein ganzen Hinwenden an den Verein sehe ich schwinden. Und die süße Ma Jivan Fulwarei war den ganzen Tag daheim, hat gewaschen und ihre Etage gewischt.
Ich will noch mal anfangen von den Problemen, die er schafft für mich im Ashram. Er fällt mir in die Rede:
"Drop den Ashram, drop ihn einfach!"
Entsetzt schaudere ich zurück:
"Wo soll ich denn schwimmen in Poona?"
"Du bist doch schon ein Fisch im Fluss. Jetzt geht's um's Fliegen!"
Wer sich mit Verrückten einlässt, muss sehen, wie er zu Recht kommt.
Die Techno-Night in Kabir, zu der der Wohnungsnachbar Swami Deva Werner mir gar Begleitschutz anbietet, ich lasse es. Ich bin fertig mit mir und meiner Welt. Schlafschutz gönnen mir die nächsten Stunden.
Ich hatte einen glücklichen Tag am Pool. Im Schatten hing ich süßen, tropischen Träumen nach. Das Wasser kühlte mich auf bayrisch-heimische Temperatur herunter. Drei Mahlzeiten im Ashram gaben mir europäische Sauberkeit bei preiswertem Komfort. Teepausen im schattigen Grün lassen mir das Paradies nahe sein.
Selbst die grauhaarige Griechin Mukscha hat meinem Nickgruß wieder ihr freundliches
"Hello,"
nachgerufen.
Swami Tyohar zerstört meinen mühsam ausbalancierten Seelenfrieden mit ätzender Schärfe. Träum ich denn nur Glück im Unglück, weil mich Mama Ashram an ihren sättigenden Brüsten im Tiefschlaf hält?
Was soll ich in Poona? Was bietet mir ein nächtliches Poona? Will ich wirklich in Mücken durchsurrtem, schlaflosen Morgengrauen gegen 4.00 Uhr in der Früh in die Bahnhofsgegend radeln?
Wenn sie mir in diesen schmutzstarren Teeküchen mein Teewasser nicht aufbrühen, gehe ich ein Gesundheitsrisiko ein.
Diese Wolken von Dieselruß, die mir Lastwagen aus armgroßen Schloten ins Gesicht blasen, mögen zwar jede Mücke töten, mich auf die Dauer aber auch.
Dieses Hungerland im ungefilterten Industriedreck mit seinen Menschenmassen abseits der Touristenperlen schön zu finden, gelingt mir nach 20 Jahren immer weniger.
Schön ist Oberbayern, wo Väterchen Frost die Luft erstarren lässt, mir den Wörthsee zum Schlittschuhlauf gefrieren lässt, wo mir mein Supermarkt um die Ecke die Schätze aus aller Welt preisgünstig bietet.
Die zwei Rupees Rolle Drops "solid Cola" schmeckt auch so. Selbst wenn ich meinen Tag mit Speisen und Getränken unterhaltsam ausfülle, meine Ruhe im Ashram ungestört bleibt, eine Nacht bringt mit den Mücken den Alptraum Sorge zentnerschwer auf Deine Brust zurück.
So ein Drama aber auch!
Weswegen springen Tyohar's Kunden rein in das Retreat? Ich kenne sie doch, Swami Deva Shivaprasad, die Münchener Prana-Heilerin Ma Veet Bhavani, den Swami mit Hut, sie meditieren aufrichtig, sie gehen mit wachen Blicken ohne anzuecken durch Center und Ashram und sind doch schon auf dem Sprung. Absprung.
Ich brauche Ma Garimo, alias Arup, nicht noch zu necken. Die Zeit gefriert schon ihr Lächeln, weil es nicht geht, nicht gehen kann ohne den erleuchteten Chef.
Die Fragen im kleinen Satsang gehen weiter:
"Willst Du auf den Stuhl in der Buddha-Halle?"
"Der Stuhl in der Halle ist ein Möbelstück wie andere auch. Es ist mir gleichgültig, worauf ich sitze."
Im Kölner Ashram, wo Bischof Swami Ramateertha residiert, steht auch so ein Möbel. Bhagwan war so stolz auf seine Eigenkonstruktion, die ihm bequemes Sitzen gestattete. Er bewegte mit leuchtendem Strahlen einen zerfallenden Körper.
Dieses Leuchten siehe ich um Tyohar. Es gibt für mich keinen Zweifel daran. Wenn ich den Blick verschwimmen lasse, fließt weißes Licht um seinen Kopf, wie ich von alten Altarbilder kenne.
Ich siehe es selten bei Menschen. Selten genug, dass ich es bei den vielen unterhaltsamen Abenden mit Isaac einmal habe aufleuchten sehen, schwach und kurz.
Poona, Ashram eröffnen Phänomene, die zu erforschen Du hier bist. Dass dieses Forschen, diese Reise in Dein Unbekanntes immer glücklich sein muss, ist nicht wahr. Doch Du lernst, von Deinen Alpträumen sanft zu erwachen.
Es geht auf 5.00 Uhr früh. Noch hilft kein Ashram. Du kannst die Woche mit der Dynamischen beginnen. Ich habe noch zwei Wochen Poona, doch freue ich mich auf die Rückbestätigung meines Flugtickets.
Ach, nur am Rande erwähnt: die zollfreie Wodka-Flasche bleibt mir eben so verschlossen wie weiblicher Trost, Ablenkung, Unterhaltung. So trostlos ist die Lage noch nicht.
Aber bald. Wie ich mich aus der Tür um 5.30 Uhr zur Meditation schleichen will, höre ich die Spüle und ihr erschrecktes Tippeln.
Behutsam steige ich die Stufen hinab und warte, bis sich zum Schatten im Türrahmen das Mädchen zeigt. Blind in der Falle meiner Gedanken spreche ich sanft:
"Good morning, sweet Tyohar",
erstaunt belächelt sie mich in meinem Trainingsanzug:
"I can't get it."
"Äh, Fulwarei!"
verbessere ich mich linkisch.
Unsere Schuhe treffen sich vor der Buddha-Halle.

23. Ruhe, nur noch Ruhe