back 2 "enlightenment" (II)

18. Zwergenaufstand

Die Leitenden der Ranch sind in ihren Positionen ebenso geblieben wie die Gelittenen in ihren.

Da helfen auch 9000 Stunden Osho-Lectures nicht weiter. Wir beäugen einander wie Wesen von anderen Sternen. Fremder können wir uns nicht mehr werden, als wir einander zu Ma Anand Sheelas Zeiten waren. Nur näher kommen können wir uns auch nicht.

Die Schilder
"maron robe area"
hängen ja überall. Der Meditations-Tourist muss natürlich seine Goa-Hosen im MG-Road Outfit durch die heilig versunkene Szene spazieren führen. Ich handele mir eine Verwarnung ein: "Du mußt hier eine rote Robe tragen."
"Das ist doch alles rot,"
blödele ich unschuldsvoll.
"Eine Robe, Robe wie alle hier,"
erklärt der Berliner Swami Prateep für Blonde, indem er mit den Händen sein Schlafgewand entlang streift. Mit GOA-Short oder Robe komme ich mir gleich blöd vor. Wahrscheinlich fehlen mir die letzten Weihen, die spezielle Osho-Ölung eben, Selfacceptance, Surrender, Whatever.

Sie schreien an ihren Ständen immerhin nicht mehr ihre Heilkünste aus, nachdem Bhagwan gestern mahnte, dass sie damit keine Kohle machen, sondern Durstige tränken sollen. So sie wollen.

Meinen heidnischen Durst tränke ich mit Chai. Wer so durch den Ashram wie ein einzelner Wolf schleicht, vor dem zieht der iranische Swami Sharan die Schultern ein. Mit dem will niemand gesehen werden, der um das goldene Osho-Kalb sein Halleluja-Tänzchen dreht, so soft, so sweet, so surrenderd.

Hanuman Straßen-Statue (Lucknow 1993)

Ich höre das jüdische Liedchen "Hawa Nagila" trällern, mit dem ich mich mit Swami Tyohar vom beleuchteten Dache verbunden fühle. Wenn ich wenigstens meine ständigen Gemeinheiten lassen könnte: Da schrubben die Schönheiten aufopferungsvoll den Boden, streichen mit Atemmaske die Bambus- und Steinwände oder investieren Hunderte von Mark, Deutschen Mark, keine Rupees in ihre Wachstums- und Selbsterfahrungsgruppen und ich schleiche durch die Szene mit fettem, geilen Grinsen. Da brauche ich mich ja nun wirklich nicht zu wundern, dass sie umso mieser drauf kommen, je mehr sie sich gerad anstrengen.

Ich will mich hier nicht anstrengen, weil ich Urlaub mache. Ich will hier fröhlich aus- und entspannen. Doch wer sich um sein Seelenheil quält, der will auch andere quälen. Das ist nun mal das Geschäft aller Religionen. Jeder findet das in Ordnung so. Schließlich geht es um die letzte Wahrheit. Und wenn die Dir nicht Deinen letzten Dollar wert ist, dann bist Du wertlos für sie. Das walte Osho, Halleluja!

Die Gedanken sind frei, hier wie überall. Und hier wie überall solltest Du Deine Worte wohl wählen, wem, wann, was zu sagen ist. Taten treffen tiefer noch als Worte, spare Dir beide besser. Wenn Swami Ramateertha bibbernd in der Mittagshitze sich dem Wasser übergibt:
"Oh, ist das kalt,"
solltest Du ihm nicht so Mut zusprechen:
"Der Papst von Köln ist doch keine alte Frau!"
Weil ich schweige, bedenkt er mich würdevoll mit einer kleinen Aufmerksamkeit: "Oh, hast Du Deinen Bordcomputer dabei?"
"Schönes Plätzchen hier, da kann man plaudern,"
versuch ich ihn zur längst fälligen Audienz zu bewegen. Wahrscheinlich wird sich der arme Kerl nur verkrümeln wollen. Selbst wenn er bestenfalls die Tatsachen, wie sie damals gelaufen sind, bestätigt, müsste er ja schon überpäpstlichen Mut aufbringen. Und den hat er schon für seinen Wassergang verbraucht heute.

Den andern komischen Heiligen in der Runde geht es auch nicht besser. Im Gespräch mit dem alten Schweden Swami Kranti Sumirda teilten wir das Gefühl: Swami Devagit, Oshos Zahnarzt, schleicht vor der WRB durch die Halle wie ein Feldwebel. Swami Kranti Sumirda ist 57 Jahre alt, pensionierter Computerfachmann. "Nächst' Mal, wenn er wieder so ankommt in der WRB, haue ich die Hacken zusammen und grüße militärisch.."

"Dann fliegst Du wieder raus hier,"
erwidert er kleinmütig. Protzig gebe ich zurück:
"Das ist es mir wert."
"Dann hast Du nicht mehr das gute Essen, den Schwimming-Pool",
zagt er weiter.
"Egal, zumindest hier will ich Freiheit."
Mit Tyohar fühle ich mich verbunden im Kampf um das Wertvollste, Freiheit, höher als Liebe. Fliege ich hier raus, habe ich die beste Geschichte im Palmtop. Geht der drauf dabei, habe ich die Erfahrung im Leben. Und die brauchst Du zum Sterben.

Na, bevor es dazu kommt, schütze ich meine lästerlichen Ausführungen besser durch ein Codewort. Es ist klar: Wer die Menge fürchtet, den fürchtet die Menge. Doch bei all meiner Subjektivität, meiner Ich-Bezogenheit, will ich nichts verheimlichen, was mich freut. Wenn mich ein kleiner, nackter Junge von der Dusche her anquakt, "Na, hast Du Deinen Computer voll?"
und ich meinen Papst erkenne, fällt mir erst spät die Antwort ein:
"Ich muß doch meine Sannyas-Vergangenheit aufarbeiten,"
wobei ich mit der Hand ihn auffordere:
"Mit Deiner Hilfe!"
Da erkenne ich dann wieder das päpstliche Winden - auch wenn es von einem kleinen, nackten Jungen zu einem anderen hilflosen Jungen kommt.

Marktszene (Lucknow, Dezember '93)

Swami Tyohars Reiseplan in seinem aufblühenden Erweckungsgeschäft hängt erstmals vor der Holztreppe zum Dach:

Israel                  15. Feb.       -  15. Apr.
Österreich    12.-20. Mai +  22.-30. Mai
Holland         2.-11. Juni   + 14.-22. Juni
Schweden          24. Juni    -         2. Juli
Rußland               4.           -       12. Juli

Ich flüchte aus dem Ashram Sonnen- und Futter-satt mit gemischten Gefühlen, - trotz Bashos Pool - schlafe daheim, und meditiere bei Swami Tyohar. Meine Frage ruft Raunen hervor, der Besuch einer von der Ranch bekannten Blonden dort mein Staunen.

Die grauhaarige Amerikanerin noch mit ovaler Mala, die dort neulich noch entzückt hauchte: "Oh, I love him",
mißverstand Deine Frage:
"Treffen wir uns bei Tyohar auf dem Dach?"
"Was? Du willst mich ausführen?"
"Tyohar, das Dach",
winkst Du entsetzt ab.
"Ach so, dreimal war ich da, das reicht für immer."
Meine Satsang-Frage drückt mich später. Mir tut mein Outcoming als notorischer Miesmacher leid. Ich flüchte durch die stinkende Hölle, die nachts noch mehr Schwerverkehr Dieselqualm in die Hitze entlässt, nur fort von allen Europäern in die Bahnhofsgegend. Das Restaurant heißt "Akshaya".

Ich frage also mit sich verschluckender Stimme, dass Tyohar erst mal Dein Sprechen verständlich einfordern muss:

"Ich will nichts fragen, nur mitteilen: Letztes Mal hast Du davon gesprochen, schlechte Angewohnheiten wie auch Furcht fallen zu lassen - hier und jetzt. Nun in dem Circus, lass ihn mich 'den-Tanz-um-den-goldenen-RollceRoyce' nennen, ist es sehr schwierig für mich, etwas zu fragen. Denn immerhin sind noch die gleichen Päpste und Ayatollahs im Amt, die mit dem Circus unglaublich erfolgreich waren. Später scheiterten sie jedoch vollständig. Ich danke Dir, mir die Furcht vor einer Frage genommen zu haben, die ich schon mehr als 12 Jahre mitschleppe."

"Du bist sehr willkommen hier, Swami. Erlaube mir weiter, Dir Deine Furcht vor dem Leben zu nehmen."

Daher fliehe ich in die Stadt, weil diese Darstellung des Ashram-Betriebs mir im Satsang, in der Öffentlichkeit ausgesprochen, unsäglich gehässig vorkommt. Leichtfertig traue ich meine Wachstums-Schmerzen Maschinen an, im einfachsten Fall Bleistift und Papier. Darüber zu reden, gar Taten folgen zu lassen, dies hier über Computer-Netze zu verbreiten, das ist ein schwerer Entschluss.

Denn den Beifall, den ich eventuell dafür bekommst, wenn überhaupt jemand liest, bleibt Lob von der falschen Seite. Menschen, die sich ihre Vorurteile bestätigen lassen wollen, bleiben zurückgeblieben.

Die Tatsache, dass wir lesen und schreiben können, ändert nichts daran. Mir schmerzt die Lunge wieder mehr vom Gifthauch, den ich ein- und ausatme. Ich freue mich auf daheim. Wenn ich nur gesund hier raus komme! Indien allgemein und speziell Poonas Dreck gesund zu überleben, fordert äußerste Umsicht.

Also: medikamentiere Dich mit Meditation, Lecture, Samadhi, Schlaf und Satsang. Denn der Kampf ist hart. Ich  will wissen, wo meine Internet E-Mail an die Commune von Montag geblieben ist.

Der Auskunft-Swami der Plaza schickt mich ins Computer-Center. Natürlich muss ich mich aufblasen und in Ma Arup-Garimos Sheela-Energie einlaufen. Es macht einfach zuviel Spaß.

Wenn ich die kleine Japanerin Ma Jivan Fulwarei bedrückt und traurig beim Essen frage und ihre schwarzverschmierten Pfoten streichle:

"Was machst Du denn daheim? Schülerin, Studentin?"
Traurig gibt sie wieder:
"Arbeiterin."
Ungläubig lächele ich sie an:
"So, Du arbeitest hier und in Japan?"
"Ja",
nickt sie mutlos.
"Was ist los, warum bist Du so traurig?"
"Ich habe Rückenschmerzen,"
und streicht sich über die schmale Rückentaille. Massage anzubieten, fehlt mir der Mut. Was soll ich mit meinen Pranken auf dieser zarten Frau? Ihre Stimme höre ich keinen halben Meter weit.

Da reitet mich einfach lieber der Teufel, Ma Arup-Garimo anzumachen:
"Weißt Du, wer meine Computer E-Mail vom Montag bekommen haben könnte?"
"An wen soll die denn gegangen sein?"
"Ganz allgemein, E-Mail an die Kommune, an den Knopf im Internet, der den Postempfang aufschaltet."

"Von Deinem eigenen CompuServe-Account hast Du das hier verschickt?"
"Nein, von der Weikfield Computer Academy hier in Poona habe ich die Mail via Internet verschickt."

"Wir erhalten unzählige Meldungen. Wer soll das bekommen, wer beantworten?"
"Das ging allgemein an die Kommune. Dem Internet-Knopf, der den Postempfang aufmacht, habe ich das übergeben. Die Antwort ist mir nicht wichtig. Mich interessiert die Technik."

"Gehe zu Ma Gaitri im Communication Center."
"Danke,"
doch schweigend wendet sie sich nach dem freudlosen Wortwechsel ab.
Ma Gaitri ist eine junge, schlanke, dünnhäutige Inderin. Sie leitet Dich weiter. Sie habe keine Meldung, meint sie vertrauenswürdig: "Wende Dich an Swami Sharan, internes Ashram-Telefon 421 im Computer Department." Dahin hätte ich ja auch gleich gehen können, wenn ich nicht soviel Spaß am Streiten hätte. Es ist nicht nur das. Ich will auch Ashram-Publicity für meinen Auftritt, der mich immerhin 200 Rupees gekostet hat.

Auf Telefon 421 antwortet nur der Anrufbeantworter von Swami Sharan. Würdest ich mir etwas einbilden, könnte ich glauben, dass meine Sorte E-Mail längst vorläge. Doch ich kenne den Trick mit unliebsamer Leserpost: Länger als ein Dreiviertel-Jahr hat nicht einmal der hartnäckigste Querulant sein Nachfragen durchgehalten.

Nach soviel Theater mache ich mich besser dünn hier. Ich kenne das Beobachten von der Ranch: Ein "unauffälliges" Pärchen plaudert einen Meter entfernt von mir. Ich beginne, den Geschäftsbetrieb zu stören.

Wolltest ich irgendetwas anderes?
Doch als ich die Straße zwischen den beiden Ashram-Teilen kreuze und nach zwei Chai und meinem Report wiederum Ma Arup-Gariom triffst, versuche ich einzulenken:

"Wenn sie die E-Mail finden, bekommt Du sie sicher."
Ihr breites Tigergrinsen und ihr "JA? Gut!" kenne ocj. Millionen-Manager fletschen so das Gebiss zur Körpersprachen-Nachricht: Durch Dich verlier'n wir keine Paisa!"

Wenn die Ranch-Pleite kalkuliert war, dann bin ich diesmal wieder auf dem gleichen Holzweg wie vor 12 Jahren.

19. Ma Fulwarei's Abschied